Gemeinde
Biodiversität
Praxisbeispiel

Landschaftsberatung: Lostorf schaut genauer hin

Daniel Arn
Nico Lehmann
Blick auf die Ortschaft Lostorf und die Hügel dahinter, von einem erhöhten Punkt ausserhalb des Dorfes.

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6 Minuten Lesezeit

Biodiversität

Praxisbeispiel

Vor der anstehenden Ortsplanungsrevision will die Gemeinde Lostorf (SO) ihre räumlichen Stärken und Schwächen durchleuchten. Eine kostenlose Landschaftsberatung hat aufgezeigt, welche Fragen und Instrumente am Anfang einer hohen Lebensqualität stehen. Wichtig ist dabei die Mitwirkung: Die Gemeinde möchte die Ortschaft gemeinsam mit der Bevölkerung attraktiver gestalten.

Die solothurnische Gemeinde Lostorf startet den Prozess der Ortsplanungsrevision. Der Gemeinderat ist dafür verantwortlich: Er leitet den Bearbeitungsprozess organisatorisch und strategisch. Unterstützt wird er von der Bau- und Planungskommission sowie der Umweltkommission.

In den Vorarbeiten zur Ortsplanungsrevision fragten sich die Mitglieder der Umweltkommission, welche Bedeutung und Aufgaben sie im Prozess innehaben werden. Es war ihnen ein Anliegen sicherzustellen, dass die Belange des Natur-, Landschafts- und Umweltschutzes in der anstehenden Ortsplanungsrevision berücksichtigt würden. In der ländlich geprägten Gemeinde mit ihren rund 4000 Einwohner:innen sind landschaftliche und ökologische Aspekte sowie Umweltthemen im Allgemeinen von grosser Bedeutung. Dazu hatte die Umweltkommission verschiedene Fragen, welche die Kommissionsmitglieder mit einer Fachperson besprechen wollten. Da kam das Angebot der Impuls-Landschaftsberatungen des Bundesamts für Umwelt (BAFU) ins Spiel (siehe Box).

Erster Schritt: Bedarfsklärung

Nach dem Erstkontakt mit dem mandatierten Landschaftsberater schärfte die Umweltkommission im Rahmen der Beratung ihren breiten Fragenkatalog. Das Gespräch zur Bedarfsklärung ist der wichtigste Arbeitsschritt in der Impuls-Landschaftsberatung. Denn die anfängliche Bedarfsklärung stellt sicher, dass die Beratung den Bedürfnissen der Gemeinde – oder im Falle von Lostorf der Umweltkommission – entspricht und zu den Erkenntnissen führt, die die jeweilige Gemeinde benötigt.

Pilotprojekt: Impuls-Landschaftsberatungen

Gemeinden sollen die Landschaftsqualität erkennen, sie bei raumplanerischen Entscheidungen berücksichtigen und aktiv zu ihrer Entwicklung beitragen. So kann eine Gemeinde die Landschaft als Standortfaktor stärken und zu einer hohen Lebensqualität für die Bevölkerung beitragen. Um sie zu unterstützen, hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) das Angebot «Impuls-Landschaftsberatung» lanciert.

Bei einer Landschaftsberatung zeigen Fachpersonen auf, wie und mit welchen Aufgaben die Gemeinden die Ziele des Landschaftskonzeptes Schweiz (LKS) berücksichtigen können. Die Impuls-Landschaftsberatungen dauern maximal vier Arbeitstage. Bis Ende 2024 übernimmt das BAFU im Rahmen eines Pilotprojektes die Kosten dieser Impuls-Landschaftsberatungen. Interessierte Gemeinden wenden sich mit ihrer Anfrage an die Kontaktperson «Impuls-Landschaftsberatung» bei der kantonalen Landschaftsfachstelle.

Folgende Fragestellungen kristallisierten sich im Gespräch mit der Umweltkommission in Lostorf heraus:

  • Was sind die Stärken und Schwächen der Lostorfer Landschaft?

  • Wie kann die Gemeinde mit der Ortsplanungsrevision die Qualität ihrer Landschaft aufwerten?

  • Wie könnte ein finanziell tragbares Management-System für ökologisch wertvolle Grün- und Freiflächen aussehen?

  • Wie kann die Bevölkerung ihren Beitrag zur Verbesserung der Landschaftsqualität leisten? Wie kann eine Gemeinde die Bevölkerung für landschaftliche Themen sensibilisieren?

  • Wie weit sind Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien mit einer qualitätvollen Landschaft vereinbar?

Identitätsstiftende Landschaftsqualitäten

Bei einer einfachen Analyse der räumlichen Situation von Lostorf zeigten sich die übergeordneten landschaftlichen Qualitäten deutlich. Diese sind so ausgeprägt, dass sie getrost als die zentralen, identitätsstiftenden Elemente von Lostorf bezeichnet werden können. Dazu gehören unter anderem:

  • Der Lostorfer Bach als natürliche Struktur am Siedlungsrand

  • Ein grüner Ring mit strukturreicher Landschaft (kleinräumiges Mosaik aus Waldflächen, Hecken, Wiesen und Weiden)

  • Die imposante Kulissenbildung durch geomorphologische Formen des Juras

  • Wertvolle Trockenstandorte (Jurawiesen und -weiden sowie Wälder)

Grafik, die wie eine Karte von oben die Gemeinde Lostorf und die umliegende Landschaft zeigt.

Diesen räumlichen Qualitäten gilt es in der Ortsplanungsrevision grosse Bedeutung beizumessen.

Wann kann die Bevölkerung mitreden?

Im Rahmen der Beratung ist aufgezeigt worden, wie die Bevölkerung für Belange des Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes sensibilisiert und der Prozess der Ortsplanungsrevision dazu genutzt werden kann. Weil der formelle Teil der Ortsplanung sehr technisch ist und nur aktiv mitwirken könnte, wer über Raumplanungsfachwissen verfügt, wäre die Mitwirkung der breiten Öffentlichkeit in dieser Phase schwierig. Deshalb empfiehlt sich die Erarbeitung eines Räumlichen Entwicklungsleitbilds (REL): Dieses Instrument ist der technischen Bearbeitung der Nutzungsordnung vorgelagert. Es zeigt die räumliche Entwicklung einer Gemeinde auf und kann den Gemeinderat anschliessend als verbindliches Planungsinstrument bei der täglichen Arbeit unterstützen.

Im Erarbeitungsprozess des REL ist kein raumplanerisches Fachwissen erforderlich, um aktiv mitzuwirken. Findet ein partizipativer Erarbeitungsprozess statt, fordert dieser die Bevölkerung dazu auf, sich mit den Stärken und Schwächen der eigenen Wohngemeinde auseinanderzusetzen. Ein sorgfältig durchgeführter REL-Prozess fördert den gesellschaftlichen Austausch und sensibilisiert für die Themen Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz. Dabei wird das Verständnis für andere Ansichten als die Eigenen gestärkt und die Behörden erkennen, wo der Bevölkerung der Schuh drückt. Aufgrund dieser Vorteile hat sich Lostorf dazu entschieden, nun vor der Ortsplanungsrevision zunächst ein Räumliches Entwicklungsleitbild zu erarbeiten.

Strasse mit Laterne mitten in einem kleinen Dorf, ein weisses Auto steht am Strassenrand.

Lostorf will attraktiver werden. Bild: SKK Landschaftsarchitekten

Grünflächen mit unterschiedlichen Funktionen

Eine weitere Fragestellung, die im Rahmen der Beratung genauer betrachtet wurde, drehte sich um das Management von ökologisch wertvollen Grün- und Freiflächen. Dabei zeigte sich, dass ein effizientes Grünflächen-Management auf der Qualifizierung der zu unterhaltenden Grünflächen basiert. Ganz nach dem Grundsatz: Nicht alle Grün- und Freiflächen haben die gleichen Funktionen.

Die Auseinandersetzung mit den gemeindeeigenen Grün- und Freiflächen führt zur Einsicht, dass öffentliche Flächen im besten Fall mehrere Funktionen übernehmen. Beispiele aus der Praxis zeigen denn auch, dass auch Flächenansprüche, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen, miteinander verträglich gestaltet werden können.

Sind die Funktionen der verschiedenen Flächen einmal bekannt, kann die Gemeinde die vorhandenen Ressourcen gezielt und nachhaltiger einsetzen. Denn so kann sie die Pflegeintensität der Grün- und Freiflächen je nach Bedeutung und Nutzungsansprüchen festlegen. Anhand von Beispielen aus anderen Gemeinden entwickelten der Gemeinderat und die Umweltkommission in Lostorf im Rahmen der Beratung ein Gespür für dieses Thema.

Energieproduktion oder Landschaftsschutz?

Auch das Thema der Energieproduktion beschäftigte die Umweltkommission von Lostorf. Eine Auslegeordnung im Rahmen der Landschaftsberatung half dabei, die landschaftlichen und ortsbaulichen Qualitäten aufzuzeigen, die bei einer allfälligen Interessenabwägung von verschiedenen Energieproduktionsanlagen berücksichtigt werden müssten.

Eingeflossen sind Überlegungen zu Energieübertragungsleitungen und Photovoltaik-Anlagen, da beide das Potenzial haben, das Landschaftserlebnis oder das Ortsbild zu beeinträchtigen. Anhand von Beispielen konnte die Landschaftsberatung Gestaltungsgrundsätze für Photovoltaik-Anlagen aufzeigen. Diese können in der anstehenden Ortsplanungsrevision dabei helfen, die ortsbaulichen Qualitäten von Lostorf zu wahren.

Gemeinsam zum lebenswerten Ort

Die Impuls-Landschaftsberatung zeigte der Umweltkommission und dem Gemeinderat die einmalige Chance auf, welche die anstehende Ortsplanungsrevision für Lostorf bietet.

Gartenstühle und Tisch vor einem alten Bauernhaus mit der Aufschrift Teehaus.

Das Tee-Paradies in Lostorf. Bild: SKK Landschaftsarchitekten

Statt die Revision als lästige, ressourcenaufwändige Pflicht wahrzunehmen, bietet der Prozess vielmehr die Möglichkeit, sich mit den Stärken und Schwächen der Gemeinde auseinandersetzen. Und zwar gemeinsam – vom Gemeinderat, über die Kommissionen bis hin zur Bevölkerung. Dieser Schritt bildet die Basis für ein attraktives, lebenswertes Lostorf.

Titelbild: Dietrich Michael Weidmann (CC BY-SA 3.0)


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